Da ich mit dem
Aufeinandertreffen von einem Monster und meiner Protagonistin nicht so viel
anfangen kann, versuche ich eine Abwandlung.
Die
Protagonistin trifft auf einen Outsider. Vielleicht eine Vorübung zu der Szene,
in der sie von dem Outsider angegriffen wird.
S.
hatte sich etwas widerstrebend zu Fuß auf den Weg gemacht. Auf eine Rikscha
hatte sie nicht warten wollen, am Haltepunkt war gerade keine gewesen, aber der
Weg war auch nicht allzu weit und sie beschloss zu Fuß zu gehen. Mit dem
schweren Instrumentenkoffer auf dem Rücken folgte sie der breiten Straße und
machte sich einen Spaß daraus zwischen Gehweg und Fahrbahn hin und her zu
schwanken. Es gab einen schmalen Rinnstein, auf den genau die Breite ihres Schuhs
passte. Ein Schritt oben, ein Schritt auf der Kante, ein Schritt unten.
Der Rhythmus, den sie dabei erzeugte, ließ sie an das Stück denken, dass sie im
Unterricht geübt hatte. Jede mal, wenn sie an einer Laterne vorbei war, fiel
ihr der seltsam riesige, monströse Schatten auf, den sie mit dem Cello warf und
der im Walzerschritt vor ihr her schwankte, blasser wurde, verschwand und
hinter ihr wieder auftauchte.
Für
mehrere Häuserblocks war sie ganz und gar vertieft in ihr Tun, genoss die
Stille der Stadt in Kombination mit dem Takt ihrer Füße auf dem Pflaster.
Als
sie schließlich von der breiten Hauptstraße in eine Nebengasse einbog, fand ihr
Spielchen ein Ende. Sie hob den Blick und blinzelte in das helle Licht der
nächsten Laterne.
S.
blinzelte nochmals. In der Dunkelheit zwischen zwei Häusern hatte sie eine
Bewegung wahr genommen.
Kurz
kam ihr die Vermutung, es sei nur Einbildung gewesen und durch das blendende
Licht würden ihre Augen ihr einen Streich spielen, aber da war noch etwas
anderes.
In
ihrem Magen breitete sich ein seltsames Gefühl aus. Es war nicht das angenehme
Flattern von Schmetterlingen, was sie verspürte, wenn ihr ein Stück beim Cello
spielen besonders nah ging, es waren eher schwarze Nachtfalter, die sich unsanft
einen Weg durch ihre Eingeweide suchten. S.s Schrittlänge verkürzte sich
unbewusst, doch sie bewegte sich noch einige Schritte weiter auf den Durchgang
zu und blieb dann stehen.
Immer
noch war sie sich nicht sicher, ob sich wirklich etwas im Dunkeln bewegt hatte,
doch die Nachtfalter flatterten immer noch hart in ihrem Bauch und lösten ein
unangenehmes Prickeln in ihrem Nacken aus. Einen Moment lang überlegte sie, ob
sie einfach ein "Hallo?" in die Gasse werfen sollte, doch ehe sie
sich dazu entschließen konnte, trat aus dem Häuserspalt eine Gestalt
hervor.
S.
wusste sofort, warum sie so ein schlechtes Gefühl gehabt hatte. Der Mensch war
unwahrscheinlich schmutzig und trug zerrissene Kleidung. Eine Art Anorak, der
einmal hellblau gewesen sein musste, strotze vor Dreck und war ungewöhnlich
dick gefüttert. Die Gestalt blickte fast starr in ihre Richtung, bewegte sich
jedoch vorläufig nicht. Die Haare hingen filzig in sein Gesicht und
verdeckten teilweise eine schreckliche Narbe, die sich über eine Gesichtshälfte
zog.
Was
sollte sie nur tun? Das war ganz eindeutig ein Outsider, ein Fremder, ein
Mensch von der Außenwelt. Was wollte er hier und was wollte er von ihr? Bevor S.
einen Plan fassen konnte, kam Bewegung in den Mann. Er zischte einen Fluch und
stieß sich mit den Händen von der Wand hinter sich ab. Wie ein Läufer der durch
den Schuss der Starterpistole das Rennen beginnt, sprintete er in die Gasse von
S. weg. Dabei machte er kaum Geräusche auf dem Asphalt der schmalen Straße und
war nach wenigen Sekunden aus S.s Blickfeld verschwunden.
S.
ließ die Schultern sinken, merkte erst jetzt, dass sie diese ängstlich
hochgezogen und die Luft angehalten hatte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Nur weg hier! Nur schnell nach Hause!
Sie
machte kehrt und eilte den Häuserblock zurück auf die Hauptstraße, wobei sie
sich ständig umdrehte. Ein Wenden des Kopfes reichte nicht aus, der riesenhafte
Instrumentenkoffer versperrte ihr die Sicht. Nur noch ein paar Meter und sie
trat in das helle Licht der großen Straße. Ein Blick nach links, ein Blick nach
rechts und sie fand die nächste Haltesäule für Rikschas. Mit immer noch
hämmerndem Herzen drückte sie den Rufknopf und klammerte sich dann beinahe an
die Säule. Sie würde heute keinen Schritt mehr allein tun. Wenn nötig würde sie
die ganze Nacht warten bis ein Fahrer sie einsammelte und nach Hause
brachte.
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